Das alles ist Guinea!

Drei Monate Guinea. Allmählich habe ich mich wettertechnisch, naturtechnisch und kulturell akklimatisiert. Dies merke ich daran, dass...

... ich mich nicht mehr wundere, wenn Kinder aus der Nachbarschaft inständig und inbrüstig um Révisions/Nachhilfe betteln.

... dass ich mir nicht mehr den Kopf darüber zerbreche, ob es okay ist, dass Kinder einen Marktstand beaufsichtigen und so ihre Mutter vertreten oder anderweitig die Arbeit ihrer Eltern verrichten.

... es nichts mehr Aussergewöhnliches ist, wenn ich das ca. 8-jährige Nachbarsmädchen antreffe, wenn es in aller Selbstverständlichkeit mit einem Becken voll Geschirr auf dem Kopf unterwegs ist an den Fluss, um den Abwasch für die Familie zu machen.

... es mich nicht mehr so wahnsinnig verblüfft, dass mir meine Kindergärteler unaufgefordert und ohne zu zögern helfen, Stühle hochzustellen, sofort zum Besen greifen und den ganzen Kindergartenraum mit grosser Effizienz wischen.

... dass mir nicht mehr der Mund offen stehen bleibt, wenn ich Guineern mit Regenschirmen begegne, obschon es nicht regnet, sondern im Gegenteil, die Sonne prall scheint.

... ich langsam verstehe, dass der Durchschnittsguineer bei morgenlichen kalten 21°C seine Daunenjacke anzieht, weil ich bei abendlichen 19°C Faserpelz und Mütze anziehe.

... ich es ganz legitim finde, dass meine Gesprächspartnerin, der ich in ihrem Zuhause einen Besuch abstatte, plötzlich den Gebetsteppich ausrollt, um nach Mekka zu beten.

... ich nicht mehr die Luft anhalte, wenn mich wieder einmal eine hässlichen Spinne überrascht.

... ich nicht ausflippe, wenn ich geweckt werde, weil etwas sehr grosses über meinen Arm krabbelt und es verdächtig nach Kakerlake stinkt (Spinnen haben wenigstens noch den nötigen Respekt vor uns Menschen und suchen das Weite, sobald sich etwas bewegt!).

... es keine Besonderheit mehr darstellt, wenn die Kinder wiedermal ein "Jare!!" (Skorpion) entdecken.

... es micht nicht mehr amüsiert, sondern nervt, wenn sich auch an diesem Abend eine Fledermaus ins Haus verirrt hat und sie trotz Beihilfe mit Besen den Ausgang nicht findet.

... ich es einfach so hinnehme, dass die Lehrer der öffentlichen Schule seit drei Wochen streiken, die Kinder deshalb Zwangsferien auf unbestimmte Zeit haben, die Koranschullehrer deswegen die Koranschule von 12 Uhr auf 8 Uhr vorverlegen und einige Kinder meiner Klasse (resp. deren Eltern) der Koranschule Vorrang geben und die Kinder deshalb je nach Möglichkeit im Kindergarten erscheinen. Oder eben nicht erscheinen.

... ich nicht weiss, warum ich es glauben sollte, dass der Lehrerstreik angeblich am kommenden Montag enden sollte und dann der Schulbetrieb wieder richtig aufgenommen wird. 

... ich vor Freude fast verplatze, wenn meine guineeischen Kindergärteler allmählich anfangen, buchstabenähnliche Hieroglyphen zu schreiben, wenn ich sage, sie sollen ihren Namen schreiben. Hier ein paar sehr fortgeschrIttene Exemplare:

Mamadou

nochmal Mamadou

Djaga

Molou

... wenn ich mich ebenso freue, wenn die "colorier"-süchtigen Kindergartenkinder immer kreativer und ausdifferenziertere Freihandzeichnungen zu machen beginnen. Einige Kostproben:








... ich weniger Fotos mache und mein Mitteilungsbedürfnis etwas abflacht. Ich bemühe mich aber weiterhin, euch mit dem Blog auf dem Laufenden zu halten. Stoff zum Schreiben habe ich nämlich nach wie vor! Verzeiht mir, wenn die Artikel dann und wann etwas kürzer, unregelmässiger und weniger illustriert erscheinen. 

Ich wünsche euch eine schöne Adventszeit! Bald brennt schon die zweite Kerze. Auch in unserem Palmenblätteradventskranz...