Zurück zu Feld 1

Dankbar, dass nun Wochenende ist, sitze ich mit einer Tasse Néscafé da und überlege, was ich diese Woche mit euch teilen will. Da ich mein Leben hier mit all seinen Facetten beleuchten will, werde ich euch nicht vorenhalten, dass mich diese Arbeitswoche sehr ermüdet hat. Aus diversen Gründen:

Die Zahl der Kinder im Kindergarten stieg von 9 auf 13 an.

Etwa die Hälfte der 13 Kinder hatte wohl zu Hause noch nie einen Stift in der Hand. Ausserdem wird zuhause nur Pular gesprochen. Wie sollte ein solches Kind verstandesmässig und sprachlich verstehen, was von ihm verlangt wird, wenn es eine Linie nachfahren soll oder etwas innerhalb bestimmter Linien ausmalen sollte.






Ein anderes Beispiel: Quips, auch bekannt als Colorama. Das Spiel mit der wohl einfachsten Spielidee. Mit dem Farbwürfel wird erwürfelt, welche Holzrondelle genommen werden darf. Wer alle seine weissen Kreise als erstes belegt hat, ist der Gewinner. Für ein Kind, das seine ersten Lebensjahre quasi wortwörtlich im Busch verbracht hat, ohne Spielsachen, ist auch diese einfache Spielidee ein Buch mit sieben Siegeln: Was tut man mit einem Würfel? Ach so, der Würfel muss geworfen werden. Ach so, nicht x-Mal hintereinander. Ach so, der Würfel wird systematisch von Kind zu Kind weitergegeben. Ach so, das was der Würfel oben zeigt, ist von Bedeutung. Ach so, die oben angezeigte Farbe sagt mir, welche Farbe ich aus der Schachtel nehmen darf. Ach so, die Rondelle muss ich nicht irgendwo, sondern an einem vorbestimmten Ort platzieren.



Ich muss in meiner Unterrichtsplanung nochmals zurück zu Feld eins. Für mich wäre das frustrierend, wären da nicht jene alternativen Fähigkeiten der guineeischen Kinder, die mich immer wieder in Staunen versetzen: Puppenhaare zöpfeln. Den eigenen Wickelrock in Windeseile neu wickeln und dessen Bändel selber knüpfen (Schuhknoten). Sich mit geschickten Handgriffen waschen oder Kleider sauber machen. Wasserbehälter gekonnt auf dem Kopf tragen. Ein Feuer instand halten. Für kleine Geschwister sorgen.





Zurück zu den ermüdenden Angelegenheiten: Als ob die Prozedur des Zähneputzens nach dem Znüniessen nicht schon genug nervaufreibend wäre, verweigerte ein Junge eines schönen Tages diese Verrichtung. Da bin ich mit meinem pädagogischen sowie dem französischen Latein irgendwann am Ende. Das Zähneputzen wird somit von nervaufreibend zu nervtötend. Wohl hätte eine körperliche Strafe, wie die meisten Kinder es hier von zuhause gewohnt sind, in diesem Fall weitergeholfen. Aber wir halten auch in der hiesigen Kultur an der Devise "Gewalt ist keine Lösung" fest. Auch wenn das teils zu disziplinarischen Anfangsschwierigkeiten führen kann. Ich muss zuweilen extrem streng und hart sein...



Am Freitag dann noch das Tüpfchen auf dem i: Ein Kind leidet an plötzlichem Schüttelfrost und Fieber. Überlegend, was nun zu tun ist, trug ich das Mädchen auf den Armen zum Znüniort, als es in meinen Armen plötzlich erbrechen musste. Weiteres Details erspare ich euch... Das Kind wurde mit Verdacht auf Malaria vom Vater abgeholt. Wenig später ging bei einem Jungen Durchfall in die Hose. Ich wechselte ihm die Hose und seine eigene, dreckige Hose sollte er nachhause nehmen. Er weigerte sich. Vermutlich hatte er Angst, dass er deswegen zuhause geschlagen wird. Bleibt zu hoffen, dass der Vater Gnade kennt, wenn es sich um krankheitsbedingtes In-die-Hose-machen handelt! Auch sonst ist es aus unserem kulturbedingten Blickwinkel schwer nachvollziehbar, warum ein Kind für ein solches Unglück geschlagen wird...

Jedenfalls ist jetzt Wochenende, ich erhole mich von den Strapazen und ich bin noch immer gesund! Dieu merci!