Un kilomètre à pied, ça use!

Liebe Freunde. Heute lade ich euch ein, mit mir einen Spaziergang entlang meines Arbeitsweges zu machen. Eigentlich dauert er rund fünfzehn Minuten, doch meistens dauert es fast doppelt so lange, da man hier und dort noch über den Gartenzaun einen kurzen Schwatz hält: Wie geht es? Läuft es gut? Wie gehts bei der Arbeit? Wie gehts der Familie? Wie gehts den Kindern? Und dem Baby? Etc. etc. Diese Standartfragen und die entsprechenden Antworten kommen mir leider noch nicht ganz ohne kognitive Anstrengung über die Lippen... Es gibt in der hiesigen Kultur einfach zu viele dieser Floskeln!! Wenigstens liegt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine zufriedenstellende Antwort bei "Jam tun", will heissen "Überall Friede". Das ist es, was erwartet wird... Kennen wir das nicht auch bei uns? "Es geht gut, danke" - eine andere Antwort ist eigentlich ausser Frage...

Na dann mal los:



















There we are! Hinter diesem Haus befindet sich der Kindergarten:



Genau, das ist schon richtig: Wir sind de facto in einer Stadt! Hier leben ungefähr 20ˋ000 Einwohner (wobei das sooooo genau wohl niemand weiss...). Nach Wohnblocks, Einkaufszentren, Verkehrsbeschilderungen oder geteerten Strassen sucht man hier vergebens. Wobei Letzteres nicht ganz korrekt ist: Eingangs Stadt sind etwa hundert Strassenmeter geteert. Möglicherweise für einen ersten guten Eindruck?! Es bestehen scheinbar Bestrebungen für eine Ausdehnung der Teerstrassen, aber das dauert wohl eine halbe Ewigkeit! Vielleicht hab ich das schon mehrmals erwähnt, aber die Strassenverhältnisse sind wirklich beeindruckend! Beeindruckend katastrophal...!! Die Regenzeit hinterlässt ihre gewaltigen Spuren. Der Platzregen lässt auf den Strassen Rinnsaale, Bäche oder gar Flüsse entstehen. Und immer werden die Lehmstrassen irgendwo wieder repariert, bis sie bald wieder ausgewaschen sind.




Bei solchen Strassenarbeiten muss man dann flexibel bleiben und sich nicht ärgern. Keine Signalisierung und dann plötzlich: Sackgasse...!!! Mercischön! Zu Fuss kein Hindernis. Aber mit dem Auto? Oder dem VELO? Kein Problem: radle ich halt alles wieder zurück. Ist ja nur 30°C heiss, ich trage lange Hosen und ein Kopftuch, aber ja.. keeeein Problem...!! ... "Ja dann musst du eben nicht lange Hosen und ein Kopftuch tragen?!" wirst du jetzt vielleicht denken. Doch, ich muss. Die Devise meiner Organisation lautet kulturelle Anpassung, um nicht unnötig aufzufallen, denn das tut man als Porto (Weisse) ohnehin schon genug. Und "fremdes Gemüse" wird wohl überall (in Guinea genau wie in der Schweiz) beobachtet und das Verhalten schnell beurteilt. Mit dem Tragen eines Kopftuches und langen Hosen vermeidet man unter anderem den Eindruck, dass man heiratswillig ist. Hat also durchaus Vorteile... :-) Abgesehen davon, dass diese Art von Bekleidung sehr schweisstreibend und die Stoffe ziemlich gstabig sind, mag ich die Kleider, die Stoffe und die Kopftücher eigentlich ganz gerne. In einer Boutique kauft man Stoff für ca. 100'000 GNF, sprich ca. 10€. Beim Schneider oder der Schneiderin lässt man sich ein Complet - das heisst Wickelrock (pagne), Blouse und Kopftuch - für ca. 35'000 GNF, also 3.50€ schneidern. Wie ihr feststellen könnt, ist der Stoff im Verhältnis zur Arbeit sehr teuer. Anfänglich war ich etwas entsetzt über die billige Schneiderarbeit. Doch ich rechnete mal aus, wofür der Lohn für ein Complet alles reicht, nämlich beispielsweise für all diese Einkäufe zusammen: 500g Teigwaren, 12 Bananen, 4 Portionen Reis, 2 Portionen Süsskartoffeln, 1 Baguette, 8 Tomaten, 1 Gurke, 1kg Mehl, 6 Auberginen, 1kg Kartoffeln und zum Schluss noch eine Dose Cola...
Und bei diesen Stoffpreisen ist es nicht verwunderlich, dass nicht wenige Menschen hier Kleider tragen, die wir schon längst entsorgt hätten, weil sie zu verwaschen oder zu verlöchert sind. Obschon ich auch immer wieder feststelle, dass viel Wert darauf gelegt wird, zu bestimmten Anlässen oder an bestimmten Tagen in neuen, schönen, vornehmen Kleidern aufzukreuzen.

Da die Kleider massgeschneidert sind, probiert man sie beim Abholen immer gleich an, um allfällige Korrekturen zu besprechen. Ohne Umkleidekabine...! Das war anfänglich sehr gewöhnungsbedürftig. Einmal brachte mir die Schneiderin meine neuen Complets direkt in den Kindergarten und es war nichts Ungewöhnliches dabei, dass ich die grad im Kindergarten schnell anprobiert habe... Andere Länder, andere Sitten...














Themenwechsel.
Letzten Sonntag sind wir in ein Dorf in einen Gottesdienst einer christlichen Gemeinschaft gefahren. Der Gottesdienst hat mich sehr berührt. Wir kamen ganz typisch schweizerisch (*hüstelhüstel) eine halbe Stunde zu spät an, weil wir in dieser Pampas einen unnötigen Umweg gemacht haben. Die Leute waren am Singen. Ich erkannte sofort, dass das Lied "Wenns di fasch verjagt vor Fröid, de klatsch id Händ" gesungen wurde. In Pular natürlich. Dieses Lied gibts scheinbar wirklich in jeder erdenklichen Sprache! Der Predigttext war Jakobus 5, 13-20: Wenn einem etwas fehlt, soll man beten. Wenn es einem gut geht, soll man beten und Gott loben. Der Pastor der Gemeinde führte den Gottesdienstbesuchern vor Augen, dass es ihnen doch gut geht: Sie hätten schliesslich Kleider zum Anziehen und Trinkwasser, das sie in nur fünf Minuten Fussmarsch erreichen. In den Dörfern in den entlegenen Bergen sei das nun mal nicht so. Also hätten sie hier allen Grund zum Dank. Es ist immer eine Frage des Blickwinkels, immer eine Frage, mit wem man sich vergleicht! In diesem Sinn wünsche ich euch eine Woche mit viel Grund zu Dankbarkeit und Zufriedenheit! Freut euch am Selbstverständlichen (das es nämlich eigentlich nicht ist)! 😊

Ganz zum Schluss noch einige Impressionen vom Gottesdienstbesuch und dem Weg dorthin: